Moderne Zucht

Die Rassehundezucht wie wir sie heute kennen mit Vereinen, Ausstellungen, Ahnentafeln und Zuchtbüchern existiert erst seit etwa 150 Jahren. (Sie wird oft als „moderne Rassehundezucht“ bezeichnet, in Wirklichkeit ist sie aber völlig veraltet, da sie auf Gedankengut beruht, das nicht mehr zeitgemäß ist und nicht auf aktuellen, wissenschaftlichen und ethischen Erkenntnissen). Vorreiter waren die Engländer, die 1873 ihren Kennel Club gründeten. Davor wurden die Hunde nach ihrer jeweiligen Aufgabe selektiert, gemäß dem Motto „form follows function“. Die Funktion formte also den Hund, Äußerlichkeiten wie die Fellfarbe und -struktur, die Höhe des Stirnabsatzes, die Form der Ohren etc. waren nebensächlich, genauso wie die Reinrassigkeit. Es wurden Hunde miteinander verpaart, deren Leistung gut war, und immer wieder andere Rassen/Mischlinge eingekreuzt. Rassehunde sind ein vom Menschen geschaffenes, künstliches Produkt, ein Markenname, vergleichbar mit Pepsi oder Cola. Im Grunde ist jede Rasse aus Mischlingen entstanden! Die Deutsche Dogge z.B. aus der Verpaarung von Mastiffs, Windhunden, Saupackern und Hatzrüden. 

 

Eine der ersten Hundeausstellungen in Birmingham, England, 1877 (dort findet bis heute die größte Hundeausstellung der Welt, die Crufts statt)

 

Mit der Industrialisierung und zunehmenden Urbanisierung im 19. Jahrhundert haben viele Hunderassen ihre ursprüngliche Aufgabe verloren und wurden zu reinen Begleithunden, aber auch zu Mode-Accessoires und Prestigeobjekten. Sie wurden von nun an hauptsächlich nach Äußerlichkeiten selektiert, das Wesen und die Gesundheit traten in den Hintergrund. Durch die geschlossenen Zuchtbücher kamen die Hunderassen in einen sogenannten „genetischen Flaschenhals„. Einige wenige Gründertiere wurden auserwählt, die dem Rasseideal am nächsten schienen, es ging also viel genetisches Material verloren und durch das Schließen der Population kann auch kein neues Hinzukommen. Jede Hunderasse verliert in jeder Generation genetische Vielfalt (= „genetische Drift„)! Je kleiner die effektive Populationsgröße – also das Verhältnis von Rüden und Hündinnen, die sich fortpflanzen dürfen – desto mehr. (Siehe auch: http://sommerfeld-stur.at/) Außerdem wurde auf diese wenigen Gründertiere auch noch massive Inzucht betrieben. So ist es nicht verwunderlich, dass nach etwa 150 Jahren „altmodischer“ Hundezucht viele Hunderassen gesundheitlich am Abgrund stehen. 150 Jahre, das sind etwa 50 Generationen beim Hund (wenn man von einer Generationenfolge von 3 Jahren ausgeht). Wenn man das auf den Menschen ummünzt wären das etwa 1000 Jahre (Generationenfolge 20 Jahre). Man stelle sich vor, ein Bergdorf, das von 20 Individuen gegründet wurde, ist 1000 Jahre isoliert von der Außenwelt. So geht es vielen Hunderassen: durch die Inzucht wird das Immunsystem geschwächt, die Fruchtbarkeit und Abwehrkraft sinkt, Erbkrankheiten häufen sich an. Auch auf das Wesen und die Intelligenz wirkt sich Inzucht negativ aus. Hinzu kommt die Selektion rein auf den Phänotyp, also das Äußere (wobei dieses häufig auch noch ins Extrem übertypisiert wurde, siehe klassischer Typus) und der zu häufige Einsatz einzelner Deckrüden. (siehe mein Artikel über den  Deckruedeneinsatz) Im Bergdorf-Vergleich wäre es so, dass sich nur die Männer fortpflanzen dürften, die aussehen wie Til Schweiger… 😉 Und das über einen Zeitraum von 1000 Jahren! Es ist also kein Wunder, dass bei vielen Hunderassen die Lebenserwartung massiv reduziert ist. Bei der Deutschen Dogge beträgt sie nur um die 6,5 Jahre!!! Sie ist somit eine der kurzlebigsten Hunderassen überhaupt. Einen ausführlichen Artikel über dieses Thema habe ich vor zwei Jahren geschrieben: 

Lebenserwartung und häufige Todesursachen der Deutschen Dogge.

Diesem Abwärtstrend muss entgegengewirkt werden, wenn man die Rassehundezucht bewahren möchte (dazu gibt es ja mittlerweile auch schon Gegentrends, wie der Import von Mischlingen/ehemaligen Straßenhunden aus dem Ausland, oder die sogenannten Designer Dogs, also gezielt produzierten Mischlinge aus verschiedenen Rassen). Hunderassen sind ein lebendes Kulturgut, also lohnt es sich durchaus, für ihren Erhalt zu kämpfen! 

Dazu muss aber ein Umdenken stattfinden in den Köpfen der Vereinsfunktionäre und der Züchter. Und auch der Welpenkäufer muss sich gut informieren und kritisch sein! Leider findet der Wandel trotz Aufklärung durch Reportagen, Dokus, Bücher, Artikel, Blogs etc nur langsam statt. (siehe Empfehlungen unten). Daher sind die verantwortungsbewussten Züchter, bei denen Gesundheit und Wesen im Vordergrund stehen, oft alleine auf weiter Flur und erfahren kaum Unterstützung von Züchterkollegen, Vereinen und Verbänden. Zu groß ist das Interesse, am bisher bestehenden System festzuhalten, in dem Ausstellungssiege, das eigene Ego und der Profit im Vordergrund stehen. Auch der Konkurrenzdruck durch papierlose Welpen ist groß. Bei der Deutschen Dogge werden nochmal genauso viele Welpen außerhalb des VDH geboren, wie innerhalb (siehe mein Artikel über: Papierlose Doggen). Wobei die Zahlen rückläufig sind, im Jahr 2015 wurden im VDH nur noch 1245 Doggenwelpen gezüchtet (in den beiden VDH-Vereinen DDC und KyDD). Vor 10 Jahren waren es noch 1807! (siehe mein Artikel über das Zuchtgeschehen DDC KyDD 2013) Dennoch gehört die Deutsche Dogge seit vielen Jahren zu den 10 beliebtesten Hunderassen in Deutschland. Dabei steht bei den Züchtern Quantität leider oft vor Qualität. Dies muss sich ändern, auch um der Konkurrenz durch die sogenannten Schwarzzüchter Herr zu werden. Bis heute ist es leider so, dass statistisch betrachtet Doggen mit Papieren nicht gesünder sind als Doggen ohne. Dennoch lohnt es sich, von einem VDH- bzw. FCI-Züchter zu kaufen, denn erst durch die Ahnentafeln wird es überhaupt erst möglich, auf Gesundheit zu selektieren. Außerdem gibt es im VDH zumindest eine (wenn auch Vereinsinterne und somit nicht unabhängige) Kontrolle der Welpenaufzucht und Hundehaltung und ein Mindestmaß an Hündinnenschutz. Dabei ist es für den Welpenkäufer aber gar nicht so einfach, einen guten Züchter zu finden. Ein verantwortungsbewusster Züchter denkt nicht nur an den kurzfristigen Erfolg und an seine Linie, sondern er hat immer die Gesamtpopulation der Rasse im Fokus und denkt in Generationen. Folgende Punkte sind Bestandteil einer modernen Zucht, in der die Gesundheit und Langlebigkeit, aber auch ein angenehmes Wesen, im Vordergrund stehen (siehe auch Punkt 6. Lösungsansätze in meinem Artikel über die Lebenserwartung und häufige Todesursachen der Deutschen Dogge):

 

  •  Transparenz: ohne Informationen über die Ahnen und Verwandten eines Hundes zu haben ist es unmöglich, auf Gesundheit zu selektieren und die Ahnentafel ist im Grunde nutzlos, da sie nur Namen enthält. Deshalb wurde vor 10 Jahren die Datenbank www.danesworld.de von einer Privatperson ins Leben gerufen. Sie kann von jedem kostenlos genutzt werden. Danesworld wird von ehrenamtlichen Helfern gepflegt, zu denen ich seit vielen Jahren gehöre und funktioniert ähnlich wie Wikipedia. Grundsätzlich kann jeder etwas eintragen, die Daten werden aber gegen gecheckt. Dennoch können bei einem Datensatz von mittlerweile fast 260.000 eingetragenen Doggen und über 8500 gesammelten Sterbedaten immer Fehler auftreten, die aber jeder melden kann, so dass sie korrigiert werden können. Danesworld ist die größte Datenbank für Deutsche Doggen weltweit, sie beruht auf der finnischen Datenbank Jalostus Kennellitto, die vom finnischen Dachverband kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Leider gibt es weder vom VDH, noch vom DDC oder von der KYDD ein solches Angebot, ganz im Gegenteil, Danesworld wird von vielen Züchtern und Vereinsfunktionären regelrecht bekämpft, da es offen legt, was viele eh schon wissen: die Dogge hat eine erschreckend niedrige Lebenserwartung und es muss etwas unternommen werden, um dies zu ändern. Leider verheimlichen viele Züchter immer noch die Todesdaten und Krankheiten ihrer Hunde. So ist es für die verantwortungsbewussten Züchter immer eine Detektivarbeit, an Daten zu kommen und durch den Mangel an Daten ist jede Verpaarung auch ein Stück weit russisches Roulette. Die Transparenz und Ehrlichkeit zeichnen einen guten Züchter aus, und das Vorhandensein von Daten ist auch ein entscheidendes Kriterium für die Auswahl eines Deckrüden. Die Daten meiner Hündin und ihrer Verwandtschaft sind umfassend in Danesworld eingetragen, und auch die Daten meiner Nachzucht werde ich eintragen. 

 

  • Wenig bis keine Inzucht: erst durch eine Datenbank wie Danesworld hat der Züchter ein Werkzeug zur Hand, um seine Verpaarungen vernünftig zu planen. Sie bietet zum Beispiel die Möglichkeit an, Wurfplanungen zu erstellen, bei der automatisch die Inzucht bis in die 6. Generation (und sogar bis in die 9.) angezeigt wird. Um den Grad der Inzucht zu bestimmen ist zum einen der IK (Inzuchtkoeffizient) wichtig, zum anderen der AVK (Ahnenverlustkoeffizient). Der IK beschreibt, wie eng Vater und Mutter eines Wurfes verwandt sind, also wieviele Ahnen sie in welcher Generation gemeinsam haben. Ein IK von 25% beschreibt z.B. eine Verpaarung von Geschwistern oder Eltern mit ihren Kindern, ein IK von 12,5% eine Verpaarung von Halbgeschwistern oder Großeltern mit ihren Enkeln und ein IK von 6,25% eine Verpaarung von Cousin und Cousine. Aufgrund der negativen Folgen von Inzucht (siehe oben) empfiehlt sich ein möglichst niedriger IK, am besten unterhalb von 3,13%. Der AVK beschreibt wieviele Ahnen im Pedigree doppelt vorkommen und zeigt somit auch die Inzucht der Ahnen an. Ein hoher AVK bedeutet, dass die genetische Vielfalt hoch ist, da wenig Ahnen doppelt vorkommen. Empfehlenswert ist ein AVK von über 85%. Um eine niedrige Inzucht zu erreichen können Hunde aus dem (weit entfernten) Ausland eingekreuzt werden und/oder die Farbschläge miteinander vermischt werden. Dies empfiehlt auch die FCI, explizit auch für die Deutsche Dogge, die in drei getrennten Farbschlägen (gelb/gestromt, blau und schwarz/gefleckt) gezüchtet wird, also im Grunde aus drei Unterrassen besteht, was die genetische Vielfalt noch weiter einschränkt. In manchen Vereinen wie dem Schweizerischen Club für Deutsche Doggen (SCDD), dem Finnischen Doggenclub oder der KyDD werden diese Empfehlungen schon umgesetzt. Im DDC sind Farbverpaarungen leider noch die Ausnahme und auch der Einsatz von Rüden aus dem Ausland wird durch Auflagen beschränkt.

 

  • Selektion auf Langlebigkeit: es erscheint logisch, dass man mit Hunden züchten muss, deren Ahnen alt geworden sind, um Nachkommen zu erhalten, die selbst alt werden. Ein hohes Alter zeigt gute Gesundheit und ein gutes Immunsystem an, das an die Nachkommen weiter vererbt werden kann. Außerdem gibt es sogar ein Gen für Langlebigkeit. Das Alter der Ahnen wird in Danesworld durch den ASW (Altersstrukturwert) angezeigt. Er wird berechnet aus dem Alter der Eltern x 2, dem Alter der Großeltern x 1 und dem Alter der Urgroßeltern x 0,5 eines Hundes. Für Zuchthündinnen wird ein ASW von mindestens 75 empfohlen und für Zuchtrüden von mindestens 85. Er kann natürlich nur zuverlässig ermittelt werden, wenn bekannt ist, ob die Ahnen noch leben, bzw wann sie verstorben sind. Dies ist aufgrund der fehlenden Transparenz vieler Züchter und Vereinsfunktionäre (siehe oben) leider oft gar nicht so einfach. Der ASW berücksichtigt nicht die Todesursache der Ahnen. Er macht keinen Unterschied, ob ein Hund mit 3 Jahren durch einen Unfall oder an DCM gestorben ist. Diese Information ist aber ebenfalls sehr wichtig, um zu entscheiden, ob zwei Hunde miteinander verpaart werden sollten. Die häufigen Erbkrankheiten der Dogge (siehe mein Artikel: Lebenserwartung und häufige Todesursachen der Deutschen Dogge) treten leider in allen Linien auf. Die Frage ist wie häufig, und wie geht der Züchter damit um. (Verheimlicht er sie oder ist er ehrlich? Ergreift er Gegenmaßnahmen?). Es sollte nach Möglichkeit darauf geachtet werden, dass nicht Hunde, deren Ahnen an der gleichen Erbkrankheit gestorben sind, miteinander verpaart werden. Auch dies ist aufgrund der fehlenden Informationen und der Häufigkeit einiger Erbkrankheiten oft nicht so leicht. Außerdem empfiehlt sich der Einsatz älterer Rüden, da bei diesen der Herzultraschall eine höhere Aussagekraft hat (siehe unten) und generell mehr bekannt ist über bereits aufgetretene Krankheiten oder eben das Freisein von Krankheiten. Auch ist mehr über dessen Eltern und Großeltern und seine bisherige Nachzucht bekannt. Bei einem 2-Jährigen Rüden mit 4-Jährigen Eltern und 6-Jährigen Großeltern hat man so gut wie keine Informationen über Gesundheit und Lebenserwartung. 

 

  • Gesundheitsuntersuchungen: Bei der Deutschen Dogge ist im DDC momentan (Stand Januar 2017) nur das HD-Röntgen als einzige Gesundheitsuntersuchung Pflicht. Dabei ist die Hüftgelenks-Dysplasie bei der Dogge kein großes Problem und HD D und E kommen selten vor (unter 10%, siehe HD-Statistik des DDC). Viele Doggen erreichen nicht einmal das Alter, in dem die HD zu Symptomen führen könnte, da sie vorher an der Herzkrankheit DCM, der Magendrehung oder Knochenkrebs (oder den vielen anderen Krankheiten, die Doggen bekommen können) sterben. Aufgrund des jahrelangen Drucks von kleinen Züchtern und Privathaltern wurde von 2014-2016 im DDC probeweise die Herzultraschallpflicht für Zuchthunde im Rahmen einer „Studie“ eingeführt. Im Augenblick ist die Herzultraschallpflicht (HUS) ausgesetzt und auf der nächsten Hauptversammlung im Herbst 2017 wird nach Auswertung der Datensammlung darüber entschieden, ob sie wieder eingeführt wird. Da für die Studie vor allem junge Hunde, die erst in die Zucht gekommen sind, geschallt wurden und die DCM meist erst zwischen dem 3. bis 6. Lebensjahr auftritt ist davon auszugehen, dass bei einem Durchschnittsalter von nur um die 4 Jahren der HUS nicht mehr eingeführt wird mit der Begründung, dass nur wenige Hunde betroffen sind. Genauso fand es auch beim Dobermann statt. Update: die Auswertung der Datensammlung durch den DDC fand mittlerweile entgegen der Absprache mit dem Collegium Cardiologicum, und nicht wissenschaftlich, statt, und wurde dazu verwendet, die Herzultraschallpflicht im DDC wieder abzuschaffen. Hier meine Stellungnahme dazu. Mittlerweile begründet der Deutsche Doggen Club den massiven Rückgang der Welpenzahlen von 40% in den letzten 10 Jahren sogar mit der kurzzeitigen Herzultraschallpflicht von 2014-2016 und bezeichnet diese als „unnötige Gängelei“. Ich finde dieses Verhalten des Standardführenden VDH-Zuchtvereins für Deutsche Doggen bestürzend und habe dazu ebenfalls eine Stellungnahme geschrieben: Klick! Mehr Informationen über die Herzkrankheit DCM und den Herzultraschall sind in meinem Film aus dem Jahr 2012 zu finden: 

    Auch über die DCM beim Dobermann habe ich mehrere Filme gemacht, die in meinem Youtube-Kanal zu finden sind: https://www.youtube.com/channel/UCeWU3k72PBjb4jvkxc_wcmQ/videos

    Verantwortungsvolle Züchter schallen weiterhin regelmäßig ihre Hunde und halten auch ihre Welpenkäufer an, dies zu tun. Dabei ist es wichtig, den Hund mindestens alle zwei Jahre bis an sein Lebensende zu schallen, denn erst dann erhält man ein aussagekräfitges Ergebnis. Ich schalle meine Hunde aber mindestens einmal im Jahr (bzw. kurz vor dem Zuchteinsatz), da mir der Abstand von zwei Jahren zu groß ist! Je mehr Hunde geschallt werden, desto mehr Teile fügen sich zu einem Puzzle zusammen. Erst wenn der HUS über Generationen gemacht wird, wird sich herausstellen, welche Linien mehr oder weniger von der Herzkrankheit DCM betroffen sind und es kann dagegen selektiert werden. Der HUS sollte von einem ausgebildeten Kardiologen durchgeführt werden (im deutschsprachigen Raum am besten von einem Mitglied des CC = Collegium Cardiologicum). Selbstverständlich sollte genauso auch der Deckrüde aktuell Herz geschallt sein! Ein guter Züchter wird seinen Welpenkäufern den HUS-Befund der Elterntiere selbstverständlich vorlegen. Und ein guter Welpenkäufer wird danach fragen. Für die häufigen Todesursachen Magendrehung und Knochenkrebs gibt es bisher leider keine Vorsorgeuntersuchungen. Hier ist noch weitere Forschungsarbeit nötig, um mehr über die Ursachen dieser Krankheiten und eventuell Gentests zu finden. (Leider wird diese Forschungsarbeit bisher von den deutschen Zuchtvereinen für die Dogge kaum unterstützt bzw. in die Hand genommen). Der Züchter kann bisher nur versuchen, Verpaarungen zu vermeiden, in denen auf beiden Seiten der Ahnentafel Hunde an diesen Krankheiten verstorben sind und generell auf Langlebigkeit selektieren (siehe oben). Weitere Untersuchungen, die bei der Dogge keine Pflicht sind, aber empfehlenswert, sind das ED-Röntgen (Ellenbogen-Dysplasie) und das Röntgen der Wirbelsäule. Dies kann in einem Aufwasch mit dem HD-Röntgen gemacht werden, wenn der Hund schon in Narkose liegt. Aufgrund ihres schnellen Wachstums und enormen Größe und Gewicht neigt die Dogge zu Erkrankungen des Bewegungsapparats, wie z.B. Wobbler, Cauda Equina, Spondylose und anderen Problemen der Wirbelsäule und Gelenke. Ebenfalls nicht vorgeschrieben ist der sogenannte Faltengentest. Bei den Doggen gibt es das „Faltengen“, welches in doppelter Dosis zu kranken Welpen führt, die mit einigen Wochen eingeschläfert werden müssen. Diese Krankheit betrifft also nur den Züchter, der darauf achten sollte, nicht zwei Trägertiere miteinander zu verpaaren. Mehr Informationen siehe: Link

 

  • Ausstellungen: Manche Züchter argumentieren damit, dass die Gesundheitsuntersuchungen zu teuer sind. Gleichzeitig fahren sie mehrmals im Jahr auf Ausstellungen, die teilweise weit weg sind und viel Geld kosten. Wer eine Rasse wirklich verbessern möchte (und dazu gehört in allererster Linie die Gesundheit), dem sind keine Kosten und Mühen zu aufwendig. Und die paar hundert Euro für alle Gesundheitsuntersuchungen sind durch den Verkauf der Welpen schnell wieder eingenommen. Generell ist das aktuelle Ausstellungssystem überholt und sollte meiner Meinung nach abgeschafft werden. Darum findet man mich auch selten auf Ausstellungen, und wenn dann meist nur als Zuschauer. Auch wird man auf meiner Website niemals eine Auflistung von Championtiteln in Form von Buchstabenkürzeln finden. In Zeiten, in denen Hunde mit disqualifizierenden Fehlern zu Multichampions ernannt werden sind diese Urkunden das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden. Championtitel zeigen heutzutage eigentlich nur eines: den Fleiß des Besitzers. Wer Hunde züchtet oder hält, weil er gerne Blechpokale und Plastikschleifchen sammelt und damit sein Ego aufpoliert sollte sich lieber einem Hobby widmen, bei dem keine Lebewesen zu Schaden kommen. Würde das durch eine Abschaffung von Ausstellungen eingesparte Geld und die Energie in die Gesundheitsvorsorge investiert, hätten sich unsere Rassehunde innerhalb weniger Jahre regeneriert. Das einzig sinnvolle Mittel, um eine Hunderasse voran zu bringen wären Zuchtschauen, bei denen nicht nur der einzelne Hund anonym beurteilt wird, sondern bei denen es eine Nachzuchtbeurteilung, einen umfangreichen Wesenstest, eine einheitliche Katalogisierung aller Zuchthunde und Gesundheitsuntersuchungen gibt. 

 

  • Keine Übertypisierung: ein Züchter sollte nur anatomisch gesunde Hunde verpaaren, die keine körperlichen Übertreibungen aufweisen (siehe klassischer Typus) und einen guten Bewegungsablauf haben. Die Deutsche Dogge weist laut ihrem Standard keine extremen Körpermerkmale auf und ihre Anatomie ist der ihres Urvaters Wolf nicht unähnlich. Selbst der Riesenwuchs der Dogge ist kein Extrem, da Wölfe auch problemlos über 80 cm groß werden können. Hier gilt es, Maß zu halten, und lose Haut, extreme Körpergröße und vor allem extremes Gewicht, zu vermeiden. 
  • Das Wesen: leider neigen heutzutage viele Doggen zu Unsicherheit und daraus resultierender Angst-Aggression. Ein solcher Fall war mein Doggenrüde Ludwig, der aus Unsicherheit nach fremden Menschen geschnappt hat und auch im Umgang mit anderen Hunden nicht souverän war. Durch ihn weiß ich, wie schwierig es ist, mit einem unsicheren Hund zusammen zu leben, da man als Besitzer immer wachsam sein muss. Umso erholsamer ist es für mich, jetzt mit Gaia eine Doggenhündin zu haben, die wesensfest und freundlich ist. Was aber selbstverständlich nicht eine gute Erziehung ersetzt! Das Wesen spielt, wie bereits erwähnt, bei der EUDDC-Zuchtzulassung nur eine untergeordnete Rolle (nur 12 von 310 Punkten) und der sogenannte „Wesenstest“ dauert oft nicht länger als 2 Minuten. Allzu oft werden auch Hunde in die Zucht gelassen, die sich nicht anfassen lassen von den Körmeistern. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Hunde, die sich auf den Boden gelegt haben vor Angst, ihre ZZL erhalten haben. Dabei ist es fatal, wenn ein Hund, der 60-90kg erreicht, nicht wesensfest und dadurch unberechenbar ist. Der Schweizerische Club für Deutsche Doggen hat einen weit umfangreicheren Wesenstest, über den ich im Jahr 2013 einen kleinen Film gemacht habe. Es wäre wünschenswert, wenn auch hierzulande ein solcher Test eingeführt würde. Für mich als Züchterin ist wegen meiner Erfahrungen mit Ludwig das Wesen ein wichtiger Bestandteil der Deckrüdenwahl. Doggen leben heutzutage als Familienhunde, sie müssen gut zu händeln und alltagstauglich sein, gerade in Zeiten, in denen die Hundefeindlichkeit in der Gesellschaft steigt.

 

  • Aufzucht: um Hunde mit gutem, sicherem Wesen zu erhalten ist natürlich auch die Aufzucht entscheidend, denn was ein Welpe in der sogenannten Prägephase nicht kennenlernt wird er als erwachsener Hund eher misstrauisch aufnehmen. Wichtig ist, den Welpen/Junghund altersgerecht mit verschiedenen Umweltreizen wie Lärm, verschiedenen Untergründen, fremden Menschen und Hunden, dem Halsband und der Leine, dem Auto etc. vertraut zu machen. Dabei sollte man vorsichtig vorgehen und den Hund nicht überfordern, denn das ist genauso kontraproduktiv wie die Aufzucht in einer reizarmen Umgebung wie einem leeren Zwinger oder Kellerraum ohne Familienanschluss. Ich habe im Jahr 2013 und im Jahr 2015 insgesamt drei Würfe als Hundepflegerin für den Doggenzüchter Michael Neugel im Zwinger Perasperaadastra groß gezogen. So konnte ich schon wertvolle Erfahrungen sammeln und zudem von dem Wissen aus 45 Jahren Doggenzucht profitieren. 

 

  • Züchterethik: bedeutet, welche Einstellung hat ein Züchter zu seinen Hunden. Verhält er sich ihnen gegenüber fair und tierschutzgerecht oder sind sie für ihn nur Mittel zum Zweck. Für mich ist es selbstverständlich, dass eine Hündin mindestens eine Läufigkeit Pause, also mindestens 10 Monate, zwischen zwei Würfen hat. Leider erlaubt die aktuelle Zuchtordnung von DDC und KyDD eine Wiederbelegung ohne eine Läufigkeit Pause (wenn sie weniger als 8 Welpen hatte) wegen der Formulierung in der Zuchtordnung, dass eine Hündin nur einen Wurf pro Kalenderjahr – und nicht pro 12 Monate – haben darf. Es ist also möglich, eine Hündin z.B. im Herbst werfen zu lassen und sie dann nur 4-5 Monate nach der Geburt ihrer Welpen wieder zu belegen, da der nächste Wurf ja im nächsten Kalenderjahr fällt. Das kommt für mich nicht in Frage, eine Hündin braucht eine angemessene Zeit, um sich von Schwangerschaft, Geburt und Aufzucht zu erholen. Ebenfalls ausgeschlossen ist für mich die Abgabe „ausgedienter“ Zuchthündinnen. Auch das kommt leider bei einigen Züchtern vor, handelt es sich doch um „unnütze Fresser“, die nur noch Kosten verursachen. Für mich sind Doggensenioren etwas ganz besonderes und liebenswertes und ein Züchter sollte stolz sein, möglichst viele davon in seinem Zuhause zu haben. Desweiteren sind meine Hunde Familienmitglieder und leben im Haus. Meiner Meinung nach ist die Deutsche Dogge wegen ihres anhänglichen Wesens und ihrer Witterungsempfindlichkeit für eine dauerhafte Zwingerhaltung ungeeignet. 

 

 

Weitere Informationen zur modernen Rassehundezucht:

Homepage der Populationsgenetikerin Prof. Irene Sommerfeld-Stur: http://sommerfeld-stur.at/ 

Buch von Prof. Irene Sommerfeld-Stur: „Rassehundezucht – Genetik für Züchter und Halter

Blog von Christoph Jung: http://petwatch.blogspot.de/, sein Buch „Schwarzbuch Hund“ und der „Dortmunder Appell

Bücher von Hellmuth Wachtel: „Hundezucht 2000“ und „Rassehund wohin?

Bücher von Dr. Friedmar Krautwurst: „Praktische Genetik für Hundehalter“ und „Deutsche Dogge heute

Der Film „Pedigree Dogs Exposed“ und der dazugehörige Blog der Regisseurin (leider nur auf Englisch) : http://pedigreedogsexposed.blogspot.de/

Homepage http://www.instituteofcaninebiology.org/ (leider nur auf Englisch)

und mein Dokumentarfilm „Freund oder Feind“ über die Ambivalenz der Mensch-Hund-Beziehung: